England – und weiter geht’s

In Overton (das ich gerade wegen der ältesten Eiben Englands erwähnte), hatte ich in meinem Gastgeber einen entschlossenen Brexit-Anhänger, was sich beim Essen im örtlichen Pub herausstellte.

Typisch englisches Essen, belangloses Nebeneinander ….

Mr.Brexiteer …

Ich versuchte mein Möglichstes an Verständnis zu zeigen, was angesichts seines Manchester-Dialekts etwa so schwierig war, wie als Ausländer einem Bayer zuzuhören. In einem musste ich ihm recht geben, die EU hat zu viel über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden. Als ich dann aber meinte, dass genau das die Populisten wie die UKIPP ausnutzen würden und er seine Sympathie für Nigel Farage zeigte und bedauerte, dass der nicht mehr Stimmen bekommen hat (das ist in etwa das Pendant zur AFD), lenkte ich lieber um zur Frage, ob wir auf der Welt nicht gerade wichtigere Probleme hätten. Da fiel ihm dann nicht mehr viel ein. Ach ja, Fluchtursachen bekämpfen … wobei ich ihm wieder zustimmte. Wenn ich mal wieder auf kleine scheinbar nebensächliche Landstraßen komme, auf denen manchmal ein Verkehr wie auf der Autobahn herrscht, muss ich über seine Bemerkung nachdenken, dass Großbritannien zu klein sei für noch mehr Menschen (die dann auch irgendwann Auto fahren wollen) … Übrigens, sein warmshowers-Profil hat er inzwischen gelöscht, ich hoffe nicht meinetwegen.

Im vorigen Kapitel schränkte die Hilfsbereitschaft der Engländer unter Verweis auf die Fahrradmechaniker ein. Ich hatte nämlich ein ernst zu nehmendes technischen Problem, das dazu führt, dass beim Bergauffahren der Antrieb einfach durchrutschte, als würde man auf glattem Eis starten wollen. So konnte ich nicht weiterfahren und meine Selbsthilfemöglichkeiten sind werkzeugtechnisch begrenzt. Also bewegte ich das Rad irgendwie zum nächstbesten Fahrradladen. Der Mechaniker bedauerte, zu viele Aufträge, zu kleiner Laden und schickte mich zur Konkurrenz, einem größeren imposanten Laden mit Café an Bristols Yachthafen gelegen. Ein neugieriger Lehrling nahm sich meiner an, der aber so wenig Ahnung hatte, dass ich ihm mehr sagen musste, was er machen soll, als dass er von selbst draufkam, und dann auch noch mit meinem eigenen Werkzeug aushalf. Als dann der Herr Mechaniker höchstpersönlich dazu kam und meinte, bei DEM Problem ist es mal eben mit schnell herumschrauben wahrscheinlich sowieso nicht getan, aber Zeit hätte er keine und ein Zauberer wäre er auch nicht, hatte ich erst mal die Nase voll. Mr. Lehrling hat auf meinen Rat hin die Zahnkranzkasette noch mal fester gezogen und, weil es zum Losfahren zu spät war, buchte ich ein Bett in der Jugendherberge um die Ecke. Als ich am nächsten Morgen startete, kam ich ganze 8 km weit, bergauf übrigens, bis nichts mehr ging. Gleiches Problem wie am Tag zuvor. Ich war verzweifelt, rief meinen Fahrradmechaniker – Freund Holger in Berlin an, der aber auch keine erleuchtende Idee hatte. Also erst mal bergab und zurück zur Jugendherberge… Ich suchte dann weitere Fahrradhändler auf. Nummer 3 schickte mich gleich zu Nummer 4, dort bot ich inzwischen völlig verzweifelt den doppelten Preis an, wenn sie mir helfen würden – nein, das sei nun gar nicht die Geschäftspolitik des Ladens – und erhielt stattdessen einen Zettel mit den Adressen dreier kleinerer Händler, die seien flexibler (was mir nun gar nicht plausibel erschien, siehe oben, erster Laden). Ich suchte mir im Internet den heraus, der gerade umgezogen war. Rief an, wie lange er noch da sei, bis 16 Uhr, es war drei und ich beeilte mich. Da stand er in seinem kleinen Bahnbogen-Laden und schüttelte den Kopf, nein eigentlich könne er auch nicht viel machen und wenn er Ersatzteile bestellen müsste, dann seien die auch erst mal soundso lange unterwegs, immerhin: Er nahm einen Schraubenschlüssel und stellte fest, dass die Hinterradmuttern gar nicht fest genug angezogen waren. Die zog er jetzt mal kräftig an, und das war’s. Die Fixierscheibe rutschte durch. Ich konnte es nicht fassen, denn das hatte der Lehrling in Laden 2 verbockt! Die simpelste Ursache – und seitdem ist das Durchrutschproblem gelöst. Dafür hatte ich eine weitere Nacht in Bristols Jugendherberge…

Inzwischen bin ich in Liverpool, wo ich noch mal einen Tag Pause eingelegt habe, denn ich will hier nicht a tempo alles abspulen. Meine freundlichen warmshowers-Gastgeber erlaubten mir eine 2.Nacht (pensionierter Psychologe und Frau, die sich in Sterbebegleitung weiterbildet). Ich weiß im Moment nicht, ob ich die Gesamtstrecke kürzen muss und wenn ja, wie. Ich werde sehen. Da es zur Fahrradmisere nicht viel zu bebildern gab, jetzt noch ein paar taufrische Aufnahmen aus Liverpool.

Der Weg am ehemaligen Pier entlang ist kilometerlang

Dies ist die Fähre von Birkenhead nach Liverpool, die ist so kurios bunt gestrichen als Erinnerung an eine im 1.Weltkrieg aufkommende Taktik, Schiffe gegen U-Boot-Angriffe mit Camouflage-Anstrichen zu tarnen, denn dann waren sie schwerer anzupeilen.

Veröffentlicht in: Blog

6 Gedanken zu “England – und weiter geht’s

  1. Dieter schreibt:

    Hallo Felix,
    echt spannend und eine Freude zu lesen, Deine Erzählungen. Und die Fotos … einfsch klasse!
    Danke dafür und Dir noch eine gute und sichere Fahrt.
    Sommerliche Grüße aus Caputh
    Dieter

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  2. daniela schreibt:

    Lieber Felix,
    ich wünsche dir für deine weitere Fahrt etwas mehr Glück mit deinem Rad …
    Eigentlich hattest du ja eher Schwierigkeiten bei Wind und Wetter befürchtet … – wie läuft es denn damit?
    Enjoy your joueney, ,nevertheless …
    Drücker vom Faul-Hühnchen *daniela *

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  3. E.S schreibt:

    Lieber Felix, ich bin ein großer Fan Deiner Reiseberichte. Was für eine Freude, dass Du über die Englandreise berichtest!
    Voller Bewunderung, Erdmuthe aus dem Wendland

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