Es geht weiter, und die Prairie ändert sich. Merklich. Saskatchewan ist landwirtschaftlich durchindustrialisiert. Also grooooße Flächen bis an den Horizont, kleine Farmen verschwinden zusehends und Dörfer – sterben aus. Am Rande Ruinen ehemaliger Scheunen und Farmen. Der Raps blüht dort erst im Juli sommergelb, darüber der blaue Himmel, fertig ist die ukrainische Nationalfahne. Aprospos Ukraine – die stellten einen großen Teil der Einwanderer, man merkt es an den Kirchen und fühlt sich pötzlich wie im falschen Land.

Dieser Mann hielt und sprach mich an. Auch seine Vorfahren kommen aus der Ukraine. Er fährt die Post in Sheho aus.
Ich merke wie deutsch ich reagiere, wenn ich angesprochen werde. Man spricht doch nicht einfach so jemanden an und fragt wo er herkommt und hin will, oder? Hier ist das anders. Ich bin ja auch ein wandelndes Kuriosum. Wer interessiert sich denn in Deutschland noch für Radwanderer? Es gibt Tage, da sehe ich hier nicht einen einzigen Radfahrer! Also, die Kanadier sind nett und hilfsbereit und kümmern sich gern (bis auf die Doofen) , dafür sind sie aber auch schrecklich neugierig. Und je weiter ich ins Land hinein komme, desto öfter kommt es vor, dass jemand gleich die richtige Frage stellt: „Oh, you are crossing Canada?“ Oder gleich: „Are you heading to East or West?“ So als wäre es das Selbstverständichste. Ich könnte ja auch nach Norden oder Süden wollen. Radwanderer mit viel Gepäck? Na der durchquert das Land. Ist doch klar. Die meisten sind aber eh nur neugierig und können sich das für sich selbst gar nicht vorstellen, but „good for you!“ Der Radfahrerbonus kann auch dazu führen, dass ich auf dem Campingplatz Rabatt kriege oder auch gar nichts bezahlen muss. Oder Komplimente kriege „I admire you“, sagte die Campingplatzbesitzerin, gab aber keinen Rabatt. Na ist doch auch was. Die andere, typisch nordamerikanische Frage ist, für welchen wohltätigen Zweck ich das mache. Ich muss die Leute dann leider enttäuschen, ich mache es einfach nur für mich. (Wie egoistisch.)
Auf dem Campingplatz in Yorkton traf ich dann als erstes die zwei Mädels (Nr.1, Kristen und Nr.4, Hyla) aus Vancouver, die ebenfalls das Land durchqueren, allerdings im atemberaubenden Tempo von 3 Wochen für bisher ca. 3000 km. Und das ohne Training. 24 müsste man sein … Später traf ich beim Einkaufen ein anderes Paar, Nancy und Ronald, ebenfalls das Land durchquerend und lotste sie zum Campingplatz.. Die haben etwa mein Format.
Ich fuhr dann über Kindersley – Rosetown nach Saskatoon, der zweitgrößten Stadt Saskatchewans, während sich die Sicht wegen der im Norden ausgebrochenen Waldbrände immer mehr eintrübte. Die Landschaft bekam immer mehr copy+paste Charakter, also die immer währende Wiederholung der gleichen Pflanzen am Rande, Äckern und wenigen Büschen vor einem ungewissem Horizont. Da fange ich dann wirklich mal an, mir nebenbei Musik auf’s Ohr zu setzen und meine Klassik – mp3 – Sammlung zum xten Mal durchzuhören. Jetzt ist erst mal Schluss damit, Beethoven als Ohrwurm ist auch nicht besser! Oder ich philosophiere mal wieder über das „Phänomen der Rudelbildung bei Autofahrern“.
Über Saskatoon wäre nicht mehr zu sagen als beispielsweise über Gelsenkirchen. Eine ausgebreitete Stadt mit vielen zerlöcherten Straßen, die gern Großstadt sein möchte. Die Provinzhauptstadt ist allerdings Regina. Da war ich aber nicht, die liegt weiter südlich. An dieser Stelle ein paar Worte zu Städten in den Prärieprovinzen: Sie haben für mich keinen wirklichen Charakter im städtebaulichen Sinne. Sie sind wie ein großes Gewerbegebiet mit all den Standard-Marken und hinten dran gibt es noch Häuser zum Wohnen, die Straßen sind ganz nett mit Bäumen bestanden und Einfamilienhäusern bebaut. Der Flächenverbrauch ist gigantisch und wäre in Deutschland nicht denkbar. Aber selten ansatzweise so etwas wie ein Ortskern oder etwas, was den Ort unverwechselbar macht. Und trotzdem entstehen in meiner Vorstellung immer wieder Bilder romantischer Städte, bevor ich dort bin. Rosetown klingt doch auch so…