
Ah…Manitoooba! Ich sehe so hektisch aus, weil der Selbstauslöser der Kamera läuft und ich mich ganz schnell in diese Pose begeben musste…
In Manitoba kommt die Zweisprachigkeit Kanadas deutlicher zum Ausdruck als in Saskatchewan. In der Hauptstadt Winnipeg leben 10% Francophone und alle Kinder müssen in der Schule Französisch lernen, was in anderen Provinzen nicht selbstverständlich ist. Siehe auch das Schild. „Bienvenue au Manitoba“. Danke. Und wieder ändert sich die Prairielandschaft und wird allmählich kleinteiliger oder übersichtlicher. Jetzt gibt es weniger Weizenmeere und Rapsozeane, dafür mehr Gebüsch und Wäldchen. Später, 80 km vor Winnipeg, ändert sich das aber auch wieder zu grenzenloser flacher Eintönigkeit. Ich nutze die Gelegenheit, hinter Russel auf den Highway 45 auszuweichen, der ist deutlich ruhiger.

Grain-Elevators, also Verladeanlagen für Getreide sterben immer mehr zuungunsten industrieller Großverladeeinrichtungen aus. Dann sterben auch die Nebenstrecken der Bahn, die nur dafür da sind.
Ich habe meine Liebe zu den Grain Elevatoren, also Kornverladeanlagen, entdeckt. Sie sind prägnante Landmarken und Orientierungspunkte in der nur sparsam möblierten Landschaft. Von Weiten wirken sie wie gotische Kathedralen. Etliche wurden schon abgerissen, wenige noch genutzt. Ich fotografiere alle, die mir begegnen. Und auch sonst steht immer mal interessantes altes Zeugs herum.

Ist doch nett. Und eine Bruckner-, Haydn-, und Wagnerstraße gibt es dort auch, aber sonst nichts Besonderes.
Hinter Sandy Lake bremste ein PKW und fuhr zu mir zurück. Sie hätten einen Bären gesehen und boten mir ihren Schutz. Sie fuhren dann (es ging bergauf und ich musste zudem wegen des Gegenwindes schieben) rechts neben mir auf der Shoulder bis zu der entsprechenden Stelle. Der Bär war dann natürlich weg, aber die besorgten indianischen Insassen riefen noch die Polizei, die dann auch bald im Streifenwagen kam und ein Officer überzeugte sich, dass alles Okay wäre. Auch später auf dem Highway 16, an diesen gnadenlos heißen und gegenwindigen Tag auf der Etappe nach Portage La Prairie bremste plötzlich ein Streifenwagen, machte kehrt und fuhr auf meiner Fahrspur rückwärts zu mir zurück, nur um sich nach meinem Befinden zu erkundigen. Das sind dann so Stimmungsaufheller, wenn ich mich einsam übers Land quäle.
Jetzt sitze ich in Winnipeg in einer WG mit musikalischen Leuten. Judith ist Musiktherapeutin und hat Geige studiert, David spielt sehr gut Gitarre. Warmshowers lässt grüßen. Zwei Tage Pause sind angesagt, ich brauche einen anderen Sattel und war wegen meiner inzwischen chronischen Lippenherpesentzündung das erste mal in Kanada beim Arzt, weil nichts half was ich selbst tun konnte. 150 $ plus 160 für die Medikamente, ich hoffe, ich krieg es wieder. Macht etwa 240 €. Und mit insgesamt 90 Minuten Wartezeit war ich ganz gut bedient.

Da sitzt man dann da und wartet und studiert die allgemeinen do’s und don’ts … und irgendwann wird man in ein schlafwagebabteilgroßes Kabuff gerufen, da wartet man dann noch ein paar gnädige Minuten auf die durchaus freundlliche Ärztin.
Inzwischen wirken die Tabletten.
Was gibt es über Winnipeg zu sagen? Winnipeg wird ja von den anderen Kanadadurchquerern meist umradelt, also links oder rechts liegen gelassen. Meiner Meinung nach zu Unrecht. Es ist mit fast 700 000 Einwohnern eine echte und erkennbar lanmgsam gewachsene Großstadt mit Chrarakter. Calgary wirkte vergleichsweise zusammengeschustert. Es gibt auch Hochhäuser, auch konzentriert, aber eher mit Lücken dazwischen wie in Frankfurt/M., weniger auf einem Haufen. Dazwischen viktorianische Protzpaläste. Als ich mich einmal zum Essen in eine Einkaufspassage begab, fand ich mich als „Caucasian“ (also mittleuropäischer Weißer) als Teil einer klaren Minderheit zwischen Asiaten und aus Afrika stammenden Menschen wieder. Winnipeg ist ein so etwas wie kultureller Meltingpot, ein Klein-Manhattan, nicht schön, aber ehrlich. Die Straßen haben keine Nummern (!) und wirklich Namen. Ich wohnte in der Agnes Str. Und auch das Viertel meiner Gastgeber, Westend, ist international mit ethnisch geprägten Geschäften und Kirchen, einem Hindutempel, einer Moschee. Ich spürte kein Gegeneinander, sondern eher so etwas wie Gemeinschaft und meine Gastgeberin hatte eine kleine Fläche beim Urban Gardening um die Ecke. Noch eine andere Beobachtung: In diesen Holzhäusern finden sich weder Öfen noch Heizkörper wie in Europa und das bein Wintertemperaturen um minus dreißig Grad. Ich fragte also wie sie heizen. Elektrisch! Als wäre es das Selbstverständlichste. Strom ist sehr billig in Kanada, nämlich ungefähr 5 Cent pro KW/h! Jaja man wisse, dass das nicht nachhaltig sei, aber …
Nach zwei Tagen verließ ich Winnipeg Richtung Osten auf den ruhigeren Highways 15 und 44 Richtung Ontario. Es wurde mehr und mehr waldiger, sogar Eichen (ganz kleine Fünfmeterbäumchen) sah ich wieder und schließlich kamen die ersten schräg – flachliegenden Porphyrfelsen des präkambrischen Schildes, der dann auch den Westen Ontarios prägt und Landwirtschaft dort unmöglich macht. Erdaltertum live. Dazu später sicher mehr. Ich hatte Rückenwind und unter dem Schatten einer sich mehr und länger ausbreitenden Wolke fand ich nach 135 km den ersten Campingplatz (Stony Pine). Ein Dauerzeltlerplatz, auf dem Radfahrer nichts bezahlen müssen und wo man mir den Gruppenraum als Quartier anbot, weil es ja regnen könnte. Es gibt auch einen kleinen Swimmigpool… Ich nutzte alles und schlief trotzdem im Zelt. Endlich wieder Frischluft und kein muffiges Zimmer mit geisterjagenden Katzen wir bei Judith und David…
Heute (16.Juli) bin ich nach ganzen 38 km klatschnass in ein Motel geflüchtet, dank meiner angeblich 100% wasserdichten Goretex – Regenjacke. Auch wenn kein Regen durchkommt, schwitzt man und fährt nach kurzer Zeit im eigenen Wasser. Atmungsaktiv heißt das… Na das kann ja was werden, wenn das schon bei mäßigem Regen so läuft!
Und was ich dann am nächsten Morgen entdeckte, gehört eher nach Ontario