Kanada – Die Herausforderung

Ich musste verrückt sein. Mit 65 und wollte ich Kanada durchqueren. Von Vancouver über Port Hardy auf Vancouver Island, dann durch die Inside Passage mit der Fähre nach Prince Rupert, der nördlichsten Hafenstadt von British Columbia und dann quer durch den Rockies auf der bequemsten Route. Calgary, Winnipeg usw. bis ich nach mehr als 7000 km Halifax erreicht haben werde. Warum nicht mit dem Auto? Nein, selbst wenn ich einen Führerschein hätte, es wäre nur eine mäßige Herausforderung gewesen. War ich verrückt oder zu lange Zeit nicht verrückt genug gewesen?

IMG_0027

Warum Kanada?
Ich weiß es nicht mehr, aber schon länger als 10 Jahre spukt dieses Unternehmen in meinem Kopf herum. Ich habe keine Beziehung dorthin. Sieht man davon ab, dass ich mit der Zeit mehr und mehr gelesen habe und versucht habe, mich mit den Umständen dort vertraut zu machen. Vielleicht weil es kein Land ist, dem gegenüber ich bereits allzu viele negative Urteile habe.

Warum nicht die USA? Ich war schon zweimal da (einmal auch mit dem Rad) und mag zu vieles nicht. Und schon gar nicht die Paranoia der Homeland Security. Erinnert mich zu sehr an die Stasi. Ich mag auch keine dummen Fanatiker. Und auch nicht die oberflächliche Freundlichkeit – dieses Vortäuschen von Interesse um der Freundlichkeit willen. Außerdem bin ich auf 3 Monate begrenzt, – das ist mir zu wenig.

Warum nicht Europa? Also, die Länder in denen ich in Europa noch nicht war, kann ich fast an einer Hand abzählen. Da bleibt nicht viel.

Warum nicht Russland? Ich trinke keinen Wodka und habe keine Idee, wie einer, der wie ich mit Fahrrad fahrend auf Hilfe und Gastfreundschaft angewiesen ist, sich dagegen abgrenzen soll, ohne dass es als Kränkung aufgenommen wird. Andere, die dort waren, konnten mir auch keinen Rat geben. Also – dann eben nicht Russland.

Jetzt könnte ich noch weitere Warum-Nicht-Länder aufzählen, ich belasse es dabei.

Aber warum mit dem Fahrrad?
Nun, das ist mir schon vertraut, seit ich mit 18 Jahren eine 1.400 km lange Ungarnrundfahrt gemacht habe. Danach gab es nur wenige Jahre ohne Fahrradurlaub. Da ich bin ich dann durch Gebirge gewandert, bin bis zu 500 km auf Seen und Flüssen gepaddelt. Einen Tauchschein habe ich auch. Letzten Endes kann ich aber stolz darauf sein, schon fast 30.000 km Radtouren gemacht zu haben. Aber nie länger als 4 Wochen und nie länger als 1.800 km. Wenn ehrlich bin, bin ich weder besonders sportlich noch besonders mutig. Ich bin sogar ziemlich bequem und mache immer wieder Kompromisse, kürze Etappen oder vermeide Steigungen, stelle mich bei Regen lieber unter statt weiterzufahren. Zu dick war ich auch. Noch… Nein, nur um abzunehmen, wäre es zu viel Aufwand.
(Trotzdem war ich am Ende 11 kg leichter.)  Aber ich bin zäh und stur. Wenn die Steigung zu steil ist, schiebe ich eben, und wenn es noch so lange dauert.

Ich liebe wilde und freie Natur. Klaren Himmel, wie damals 1999 in Lappland. Klares Wasser. Stille. Freundliche, unaufdringliche Menschen. Und ich hatte Angst: Angst davor, dass ich nachts aus Furcht vor Bären nicht schlafen kann, Angst vor langen ermüdenden Etappen ohne ein Haus, ohne Zuflucht oder frisches Wasser, mitten im Nichts der Great Plains. Angst vor betrunkenen Truck Fahrern, die niemals ausweichen. Vor Mückenschwärmen und Black Flies. So winzig, dass man sie kaum sieht.

Ich wollte diese Herausforderung. Und ich bin sie angegangen. Wann, wenn nicht jetzt?

Wie alt sollte ich noch werden? Und vier Monate frei zu nehmen konnte ich mir erst jetzt leisten.

Das ist die eine Seite.
Die andere: Ich würde viel Zeit haben nachzudenken, fast schon zu viel. Nachdenken über mich, das Leben und ob oder was ich ändern will. Ohne fruchtlos zu grübeln. Ich würde voraussichtlich am Ende ein anderer sein als am Anfang. Vermutlich noch verrückter.

Erst einmal war ich damit beschäftigt meine Ausrüstung zu optimieren. Kompromisse leistete ich mir auf kürzeren Touren. Jetzt wollte ich es so perfekt wie möglich. Die beste Lösung ist die stabilste, leichteste und preiswerteste.

Veröffentlicht in: Blog

3 Gedanken zu “Kanada – Die Herausforderung

  1. Tom schreibt:

    Lieber Felix,
    während ich dies schreibe, wirst Du schon die eine oder andere Meile gestrampelt sein. Von Zeit zu Zeit werde ich hier reinschneien und schauen, was sich tut bei und mit Dir.
    Ich bin gespannt – auch auf den Felix, der hoffentlich wohlbehalten zurückkehren wird.

    Herzlich
    Tom

    Like

  2. Erdmuthe Schulze schreibt:

    Lieber Felix, diesen Wunsch, eine perfekt geplante Erlebnisreise zu machen, gerade in Deinem Alter, die kann ich gut vestehen. Ich wünsche Dir gute Reise, viele Begegnungen, immer wieder auch mit Dir selbst und Gesundbleiben.
    Herausforderungen, die zum Menschen passen, sind wichtig und halten uns lebendig.
    Viel Erfolg,
    Erdmuthe

    Like

  3. Mario Keller schreibt:

    Hallo Felix,

    unser „Poly“-Tom hat mich auf Deinen Plan und die Seite hier aufmerksam gemacht. Ich wünsche Dir alles Gute, viele spannende Begegnungen, dir Kraft zum Durchhalten und jede menge Freude auf Deiner Reise. Ich werde auf jeden Fall hier mitlesen wie es Dir in Kanada ergeht. Wann geht es denn los?

    Viele Grüße,
    Mario.

    Like

Hinterlasse einen Kommentar